An ’s Meer brauche ich nicht mehr zu fahren. Das dachte ich, nachdem ich das erste Mal mit Fiete an der Ostsee war. Dabei war so ein Urlaub immer mein Traum. Der Strand, die Wellen, lange Spaziergänge, gemeinsam durch das Wasser toben. So hab ich es mir ausgemalt.
Drama am Strand
Auf den Boden der Tatsachen kam ich, als ich mit Kolleginnen vor ein paar Jahren Urlaub auf Usedom gemacht habe. Fiete war zwei Jahre alt und in der Hochzeit seiner Sturm- und Drangphase. Wir waren im Herbst da, es waren kaum Menschen unterwegs und einem Spaziergang am Strand stand in meiner Vorstellung nichts im Weg. Und tatsächlich war es gut, dass es menschenleer war. So gab es keine Zuschauer für unser Drama in drei Akten.
Der Weg vom Parkplatz zum Strand ging noch. Aber als wir in Hörweite der Wellen kamen, gab es kein Halten mehr. Erst kam bei Fiete das Zittern, in Sichtweite zum Meer dann das Schreien. Er war außer sich, nicht ansprechbar, völlig von der Rolle. Das stetige Heranrollen der Wellen war für ihn wie Jagen in Dauerschleife. Er hatte was von Don Quichotte auf Speed. Im Nachhinein hätte ich es wissen können. Ein Hund, der im normalen Leben schon auf Bewegungsreize abgeht, ist am Strand wohl kaum gelassen. Nun gut, Erwartungen und Realität liegen eben selten beieinander.
Eine Stunde habe ich damit verbracht, in seinen Kopf zu kommen. Wir haben vielleicht 50 Meter geschafft. Als wir nachher wieder am Auto waren, waren wir beide völlig erledigt und ich total enttäuscht. Mir ist an diesem Tag klar geworden, dass Fiete nicht für Entspannung am Strand gemacht ist. Die romantisch-verklärten Bildern gab es nur in meinem Kopf. Seit dem weiß ich auch, dass ich öffentliche Hundestrände gar nicht erst probieren brauche. Wären zu den Wellen noch andere Hunde gekommen, hätte Fiete wahrscheinlich eine Schlägerei angezettelt.
Meine Erwartungen sind mein Problem
Zwei Jahre später waren wir wieder an der Ostsee und es lief deutlich besser. Die Zeit und das Training im Alltag haben uns weiter gebracht. Meine Erwartungen waren dieses Mal runtergeschraubt und tatsächlich konnte Fiete das Meer besser aushalten. Nach ein paar Tagen am immer gleichen Strandabschnitt konnte er auch mal frei laufen. Ein paar Minuten toben, dann wurde er wieder hektisch und brauchte eine Auszeit, um runterzukommen.
Wir werden wohl nie an einem lauen Sommerabend gemütlich durch die seichten Wellen spazieren. Aber was soll’s. Meine Erwartungen sind nicht Fietes Problem. Heute ist das Meer für uns ein Ort, an dem wir gemeinsam wachsen können.