Falsche Zeit, falscher Ort
Dienstagmorgen 8 Uhr. Die Nacht war kurz, meine Laune ist im Keller. Ich gönne den Hunden und mir eine ausgiebige Gassirunde, um Endorphine zu tanken und meinen Kopf zu sortieren.
Wider Erwarten läuft die Runde gut. Sally will nicht direkt nach Hause, Fiete plant keine Großwildjagd. Ich freue mich, denn normalerweise kriege ich von meinen Hunden direkt eine Antwort, wenn ich mit dem Kopf nicht bei ihnen bin. Wir sind schon fast wieder zuhause, da höre ich hysterisches Bellen und sehe kurz darauf auch den Hund dazu: er kläfft seine Besitzerin an, damit sie die Wurfprothese schwingt und einen Ball über die Wiese schleudert. Als er uns entdeckt, vergisst er seine Pseudobeute und kommt auf direktem Weg zu uns. Wir sind zur falschen Zeit am falschen Ort, denke ich. Fiete verspeist distanzlose Hunde, die uneingeladen „Guten Tag“ sagen, zum Frühstück.
Ich hab Hundeerfahrung, sagt sie.
„Der tut nix“, ruft seine Besitzerin und wäre ich nicht so schlecht gelaunt, hätte ich bei diesem abgedroschenen Spruch lachen müssen. „Meiner schon, rufen Sie bitte Ihren Hund zurück.“, rufe ich übellaunig. Fiete freut sich über meine Stimmung und pöbelt direkt los. „Juhu, endlich macht sie mal mit“, scheint er sich über meine Motztirade zu freuen. Die Halterin ist auf Zack und kontert: „Kein Wunder, dass er so reagiert. Man sieht Ihnen die schlechte Stimmung an und das überträgt sich auf Ihren Hund.“ Ich bin sprachlos und gucke wie ein Karpfen. Berechtigterweise interpretiert sie mein Schweigen als Zweifel an ihrer Kompetenz. „Ich habe Hundeerfahrung“, schiebt sie noch hinterher.
Am besten kastrieren!
Ich atme tief durch und informiere sie höflich, aber bestimmt, dass ich keine Beratung von ihr möchte. Es wäre aber sehr hilfreich, wenn sie ihren Hund bei sich behält, denn Fiete macht keine Gefangenen. Ganz unabhängig von meiner Stimmung. Das ist ihr Stichwort und sie haut die nächste These raus. „Er braucht sicher mehr Hundekontakte.“ Ähhh… nein. Die hat er mehr als genug. Sozialisierung ist sein zweiter Vorname.
Ich finde langsam Gefallen an unserer Unterhaltung und erläutere, dass die Rauflust Teil seiner Persönlichkeit ist. Und dann kommt sie, die Frage, auf die ich noch gewartet habe: „Ist er kastriert? Nein? Na kein Wunder, dass er sich so benimmt…“. Es ist ein bisschen wie beim Verkehrsunfall. Du willst nicht hingucken, kannst dich aber nicht trennen. Ihre Behauptungsstärke und ihre Distanzlosigkeit faszinieren mich. Vielleicht hat sie noch ein paar Tipps zu Sallys Angststörung. Ich frag sie einfach, wenn ich sie das nächste Mal treffe.