Bisher dachte ich, ich hätte als Hundetrainerin zwei vierbeinige Mitarbeiter. Seit kurzem weiß ich, dass es nur noch einer ist. Sally, meine zwölfjährige Mischlingshündin, hat selbstbestimmt ihren Job geschmissen und sich aufs Altenteil zurückgezogen.
Erzieherin mit Talent
Als Mensch würde man Sally als nicht teamfähig beschreiben. Ihre Parolen zu Politik und Gesellschaft lassen jeden Verschwörungstheoretiker erblassen. Neben dem Potential zum Fremdschämen hat sie allerdings auch eine wunderbare Begabung bei der Erziehung von Welpen und Junghunden. Auch wenn sie diesen Job schon immer mit Widerwillen übernommen hat, liebe ich sie besonders für ihre Klarheit und Direktheit. Die Jungspunde wissen bereits nach dem ersten Kennenlernen, dass man bei erwachsenen Hunden besser höflich nachfragt, bevor man mit Anlauf und Arschbombe in sie reinbrettert. Eine Lernerfahrung, die im Erwachsenenalter sehr vorteilhaft sein kann.
Widerstand auf nächster Ebene
Den Job der trillerpfeifenden Horterzieherin übernahm sie nur unter Protest. Aber immer, wenn sie gemurrt hat, hab ich ihr Futter-, Tierarzt- und Heizungskosten vorgerechnet und sie hat eingelenkt. Neulich hat sie allerdings ihren Widerstand auf die nächste Ebene gehoben. Einen 10 Wochen alten Welpen hat sie wohl zufällig mit einem Hooligan vom schwarzen Block verwechselt und ihn so angeblökt, dass ich mich in Grund und Boden geschämt und wortreich bei den Haltern entschuldigt habe. Ihr Plan ist aufgegangen, den Teil mit der Jugendarbeit hab ich anschließend aus ihrer Stellenbeschreibung gestrichen.
Der sterbende Schwan
Scheinbar hat es ihr aber noch nicht gereicht, denn nun steigt sie nicht mehr freiwillig ins Auto. Sie mimt noch im Haus den sterbenden Schwan und wenn ich sie dann bis zum Auto bugsiere, dreht sie auf dem Absatz um und geht wieder zurück. Auch den einen oder anderen Spaziergang, egal ob privat oder beruflich, beendet sie, wenn sie genug hat. Sie dreht wortlos um und geht nach Hause oder zum Auto. Da hilft dann auch kein Locken und kein Drohen. Sie hat zu oft gelauscht, wenn wir unseren Kindern gesagt haben, sie sollen alles hinterfragen, was ihnen nicht sinnvoll erscheint.
Sally war ja schon immer ein eigensinniger Hund, aber ihr Alterstarrsinn setzt dem Ganzen die Krone auf. Am Ende hat sich ihre Beharrlichkeit für sie gelohnt. Sie bleibt nun zuhause im kuscheligen Körbchen, wenn Fiete und ich uns auf den Weg machen, um die Hundeschule zu schmeißen. Ich muss mich wohl nach einer neuen Mitarbeiterin umschauen.